Vernehmungsprotokoll dem Mechanikergehilfen Florian Zelenka durch Rayonsinspektor Johann Lutschinger und Hilfsgendarm Friedrich Deutsch

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Titel

Vernehmungsprotokoll dem Mechanikergehilfen Florian Zelenka durch Rayonsinspektor Johann Lutschinger und Hilfsgendarm Friedrich Deutsch

Thema

Holocaust
Südostwall
Zwangsarbeit
Engerau

Beschreibung

Der Rayonsinspektor Johann Lutschinger führte im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien im Zuge der Vorermittlungen zum 1. Engerau-Prozess mit Unterstützungen von örtlichen Gendarmen in Engerau, Wolfsthal, Hainburg und Bad Deutsch-Altenburg Zeugenbefragungen durch und fertigte Protokolle davon an.

Urheber

Staatsanwaltschaft Wien / Rayonsinspektor Johann Lutschinger

Quelle

WStLA, LG Wien Vg 2b Vr 564/45, 1. Engerau-Prozess, 1. Band

Datum

1945-07-13

Sprache

Deutsch

Typ

Dokument (Transkript)

Text Item Type Metadata

Text


Protokoll

aufgenommen mit [dem] Mechanikergehilfen Florian Zelenka, Wolfsthal Reichsstraße Nr. 11 wohnhaft, gibt dem Revierinspektor Johann Lutschinger und Hilfsgendarm Friedrich Deutsch des Postens Hainburg an:

„Ich bin seit dem Jahre 1944 im Leichtmetallwerk Bernhard Berghaus in Berg beschäftigt gewesen, und zwar bis zum Einmarsch der Russen. Jeden Tag fuhr ich mit meinem Fahrrad von Wolfsthal die Bezirksstraße entlang zur Arbeitsstätte. So auch am 30. März 1945 um 7 Uhr 30 Min. Zirka 200 Schritte von Wolfsthal entfernt sah ich einen toten Juden quer über der Straße liegen. Am Straßengeländer hing ein grüner Mantel. Bis zur Bahnstation Berg habe ich teils auf der Straße, teils im Straßengraben 15 tote Juden liegen gesehen. Manche Leichen lagen am Rücken und andere wieder am Bauch. Die am Rücken liegenden Leichen trugen den Judenstern. Gegen 7 Uhr traf ich an meiner Arbeitsstätte ein und von meinen Arbeitskameraden wurde mir mitgeteilt, dass in der vergangenen Nacht die Juden aus den Lagern in Engerau hinausgetrieben und sehr viele gleich erschossen wurden. Nun teilte auch ich meinen Kameraden meine Wahrnehmungen mit, worauf mir der in Engerau wohnhafte Hilfsmagazineur Ludwig Modry erwiderte ‚dies sei noch gar nichts, das musst dir erst in Engerau anschauen, wie es dort aussieht.‘ Gegen 10 Uhr 30 Min[uten] vormittags war Fliegeralarm und ich fuhr mit Modry nach Engerau und musste tatsächlich feststellen, dass es viel ärger war, wie auf der Straße. An der Planke der Semperitwerke und auf der vorbeiführenden Straße sowie am Feldweg der Reichsstraße lagen sehr viele jüdische Leichen. Die meisten waren blutig und fürchterlich zugerichtet. Viele bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Wieviele Leichen es waren, kann ich nicht sagen. Nach dem Alarm fuhren Modry und ich wieder in die Fabrik zurück. Meinen Arbeitskameraden gegenüber verurteilte ich diese Schandtaten und bemerkte, dass sich dies einmal bitter rächen werde. Ebenso sagte ich ihnen, so etwas nennt sich ‚deutsche Kultur‘. Alle Kameraden stimmten mir bei und waren über die Erschießungen äußerst erregt. Als ich am Abend nach Hause kam, fragte mich gleich meine Gattin ob ich schon von den Erschießungen der Juden in der vergangenen Nacht gehört habe, worauf ich ihr antwortete, dass ich nicht nur gehört, sondern sogar gesehen habe, was die Nazi verbrochen [haben]. Erwähnen will ich noch, dass mir Imker Alois Indra, Wolfsthal Nr. 39 wohnhaft, mitteilte, beim Kriegerdenkmal in Wolfsthal sei am 28. 4. 1945 vormittags ein toter Jude gelegen und ein Erschöpfter neben ihm gesessen. Mehr kann ich nicht angeben."

Wolfsthal, am 13. 7. 1945

Johann Lutschinger
Zelenka Florian
Rev. Inspektor

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