Dublin Core
Title
Vernehmungsprotokoll mit dem Schneidermeister Johann Steller durch Gendarm Karl Brandstetter und Hilfsgendarm Friedrich Deutsch
Subject
Holocaust
Südostwall
Zwangsarbeit
Engerau
Description
Der Rayonsinspektor Johann Lutschinger führte im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien im Zuge der Vorermittlungen zum 1. Engerau-Prozess mit Unterstützungen von örtlichen Gendarmen in Engerau, Wolfsthal, Hainburg und Bad Deutsch-Altenburg Zeugenbefragungen durch und fertigte Protokolle davon an.
Creator
Staatsanwaltschaft Wien / Rayonsinspektor Johann Lutschinger
Source
WStLA, LG Wien Vg 2b Vr 564/45, 1. Engerau-Prozess, 1. Band
Date
1945-07-13
Language
Deutsch
Type
Dokument (Transkript)
Text Item Type Metadata
Text
Protokoll
aufgenommen mit dem Schneidermeister Johann Steller, Hainburg, Landstraße 2a wohnhaft, gibt dem Gendarm Karl Brandstetter und dem Hilfsgendarm Friedrich Deutsch des Gend[armerie]-Postens Hainburg, folgendes an:
Ich war als Hilfszollassistent des Bezirkszollkommissariates Berg der Aufsichtsstelle Engerau, Elysium 3, zugeteilt. Die Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag hatte ich dienstfrei und schlief zu Hause in Hainburg bei meiner Familie. In der Nacht vom 29. zum 30. März 1945 (Gründonnerstag zum Karfreitag) hörte ich gegen 3 Uhr früh mehrere Schüsse. Ich sah sofort zum Fenster hinaus, welches im 1. Stockwerk an der Reichsstraße liegt. Dort sah ich wie ein Mann, vermutlich durch Erschöpfung auf der Straße saß und von 2 SA-Männern zum Aufstehen gezwungen wurde. Ich hörte noch, wie der eine SA-Mann sagte „Na willst?“, worauf der Mann mit ziemlich erschöpfter Stimme antwortete, „ja, ja“. Im selben Augenblicke gab der eine SA-Mann zwei Schüsse gegen den auf der Straße sitzenden Mann ab, worauf dieser sofort auf die Erde fiel. Der zweite SA-Mann sagte dann: „Er ist es schon, geh ma“. Die SA-Männer gingen mit schnellen Schritten in Richtung Deutsch-Altenburg weiter. Nach ca. 10 bis 15 Minuten hörte ich aus der Richtung Deutsch-Altenburg noch mehrere Schüsse.
Ich musste am 30. März 1945 (Karfreitag) meinen Dienst in Engerau antreten. Als ich um ca. 6:30 Uhr zum Bahnhof kam, wurde bekanntgegeben, dass der Zug aus Wien in Richtung Engerau unbestimmte Zeit Verspätung habe. Ich begab mich nun zum Hauptplatz um mit dem Milchauto, welches täglich um 7 Uhr von Hainburg nach Engerau fährt, mitzufahren. Dort traf ich den Hauptwachtmeister der Wasserschutzpolizei Karl Brandstetter, welcher ebenfalls in Engerau Dienst versah und auf dieselbe Fahrgelegenheit wartete. Als wir uns begrüßten, kam der Spediteur Czernohorsky mit seinem Pferdefuhrwerk aus der Richtung Deutsch Altenburg daher, die Ladung war sehr niedrig und mit einer Plache zugedeckt, weiters wurde das Fuhrwerk von dem Meister der Schutzpolizei Franz Rosenits von der Schutzpolizeiabteilung Hainburg begleitet. Ich selbst fragte, ob das die Leichen der erschossenen Juden sind von heute Nacht. Herr Rosenits bejahte die Frage und sagte, es sind drei erschossene Juden. Weiters sagte Herr Rosenits, die SA braucht noch in der letzten Minute solch ein Stück aufführen, wenn die Russen kommen, heißt es dann, das hätte die Polizei getan.
Brandstetter und ich fuhren nun mit dem Milchauto des Zehetgruber von Hainburg nach Engerau. Als wir ca. ½ km fuhren, sahen wir auf der linken Straßenseite, meist durch Genickschuss erschossene Juden liegen.
Von Hainburg bis Wolfsthal sahen wir nur auf der linken Straßenseite erschossene Juden liegen. Von Wolfsthal bis Engerau lagen auf beiden Straßenseiten erschossene Juden. An manchen Stellen betrug der Abstand der Leichen nur zehn bis fünfzehn Schritte. Die meisten wurden durch Kopfschüsse getötet, weil man bei den meisten Leichen Blut im Gesichte sah. Es handelte sich durchwegs um Juden, da man auf der Kleidung deutlich den Judenstern erkennen konnte. Brandstetter zählte auf der Strecke von Hainburg bis Engerau auf der linken Straßenseite 23 und ich auf der rechten Straßenseite der gleichen Strecke 15 erschossene Juden.
Weitere Angaben kann ich nicht machen.
Hainburg, den 13. Juli 1945
Johann Steller
Die Vernehmenden: Brandstetter Gendarm
Deutsch Hilfsgendarm
aufgenommen mit dem Schneidermeister Johann Steller, Hainburg, Landstraße 2a wohnhaft, gibt dem Gendarm Karl Brandstetter und dem Hilfsgendarm Friedrich Deutsch des Gend[armerie]-Postens Hainburg, folgendes an:
Ich war als Hilfszollassistent des Bezirkszollkommissariates Berg der Aufsichtsstelle Engerau, Elysium 3, zugeteilt. Die Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag hatte ich dienstfrei und schlief zu Hause in Hainburg bei meiner Familie. In der Nacht vom 29. zum 30. März 1945 (Gründonnerstag zum Karfreitag) hörte ich gegen 3 Uhr früh mehrere Schüsse. Ich sah sofort zum Fenster hinaus, welches im 1. Stockwerk an der Reichsstraße liegt. Dort sah ich wie ein Mann, vermutlich durch Erschöpfung auf der Straße saß und von 2 SA-Männern zum Aufstehen gezwungen wurde. Ich hörte noch, wie der eine SA-Mann sagte „Na willst?“, worauf der Mann mit ziemlich erschöpfter Stimme antwortete, „ja, ja“. Im selben Augenblicke gab der eine SA-Mann zwei Schüsse gegen den auf der Straße sitzenden Mann ab, worauf dieser sofort auf die Erde fiel. Der zweite SA-Mann sagte dann: „Er ist es schon, geh ma“. Die SA-Männer gingen mit schnellen Schritten in Richtung Deutsch-Altenburg weiter. Nach ca. 10 bis 15 Minuten hörte ich aus der Richtung Deutsch-Altenburg noch mehrere Schüsse.
Ich musste am 30. März 1945 (Karfreitag) meinen Dienst in Engerau antreten. Als ich um ca. 6:30 Uhr zum Bahnhof kam, wurde bekanntgegeben, dass der Zug aus Wien in Richtung Engerau unbestimmte Zeit Verspätung habe. Ich begab mich nun zum Hauptplatz um mit dem Milchauto, welches täglich um 7 Uhr von Hainburg nach Engerau fährt, mitzufahren. Dort traf ich den Hauptwachtmeister der Wasserschutzpolizei Karl Brandstetter, welcher ebenfalls in Engerau Dienst versah und auf dieselbe Fahrgelegenheit wartete. Als wir uns begrüßten, kam der Spediteur Czernohorsky mit seinem Pferdefuhrwerk aus der Richtung Deutsch Altenburg daher, die Ladung war sehr niedrig und mit einer Plache zugedeckt, weiters wurde das Fuhrwerk von dem Meister der Schutzpolizei Franz Rosenits von der Schutzpolizeiabteilung Hainburg begleitet. Ich selbst fragte, ob das die Leichen der erschossenen Juden sind von heute Nacht. Herr Rosenits bejahte die Frage und sagte, es sind drei erschossene Juden. Weiters sagte Herr Rosenits, die SA braucht noch in der letzten Minute solch ein Stück aufführen, wenn die Russen kommen, heißt es dann, das hätte die Polizei getan.
Brandstetter und ich fuhren nun mit dem Milchauto des Zehetgruber von Hainburg nach Engerau. Als wir ca. ½ km fuhren, sahen wir auf der linken Straßenseite, meist durch Genickschuss erschossene Juden liegen.
Von Hainburg bis Wolfsthal sahen wir nur auf der linken Straßenseite erschossene Juden liegen. Von Wolfsthal bis Engerau lagen auf beiden Straßenseiten erschossene Juden. An manchen Stellen betrug der Abstand der Leichen nur zehn bis fünfzehn Schritte. Die meisten wurden durch Kopfschüsse getötet, weil man bei den meisten Leichen Blut im Gesichte sah. Es handelte sich durchwegs um Juden, da man auf der Kleidung deutlich den Judenstern erkennen konnte. Brandstetter zählte auf der Strecke von Hainburg bis Engerau auf der linken Straßenseite 23 und ich auf der rechten Straßenseite der gleichen Strecke 15 erschossene Juden.
Weitere Angaben kann ich nicht machen.
Hainburg, den 13. Juli 1945
Johann Steller
Die Vernehmenden: Brandstetter Gendarm
Deutsch Hilfsgendarm
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